Ornithologische Mitteilungen 70 (2019): 254-256
Weitere Ausbreitung des Mittelspechtes Dendrocopus medius im nördlichen Schleswig-Holstein
Rolf K. Berndt
Rolf K. Berndt, Helsinkistr. 68, 24109 Kiel, E-Mail: RKBerndt@t-online.de ;
Der Mittelspecht erreicht in Schleswig-Holstein die nordwestliche Verbreitungsgrenze seines geschlossenen Siedlungsgebietes in Europa. Bis 2012 waren nördlich des Nord-OstseeKanals nur zwei Brutzeitvorkommen bekannt (BERNDT, STRUWE-JUHL & KOOP 2013). Seit 2014 wurden wir auf eine rasche Zunahme im Norden Schleswig-Holsteins im Landesteil Schleswig aufmerksam (BERNDT 2015). Diese hat sich in den Jahren 2016-2018 fortgesetzt, so dass eine erneute Bilanz sinnvoll ist. Die Beobachtungen stammen aus dem Datenprotal Ornitho.de oder wurden mir direkt mitgeteilt.
Betrachtet werden hier die Vorkommen aus den Monaten März – Mai nördlich einer Linie Husum – Eckernförde; südlich davon wurden diverse Mittelspechte schon 2012 und früher angetroffen (BERNDT 2015). Die Zahl der Wälder mit Mittelspechtvorkommen im nördlichen Schleswig-Holstein hat in den letzten Jahren stark zugenommen: Stand 2012 zwei, bis 2015 17 und bis 2018 36 besetzte Waldgebiete. Die Vorkommen im Rehbergholz bei Satrup, Friedeholz bei Glücksburg und Gehege Tiergarten bei Schleswig strahlen vermutlich in die Umgebung aus. Die Geest ist anders als im Landesteil Holstein schwach besetzt, da im Landesteil Schleswig Nadelforsten überwiegen. Doch zeichnet sich ein gewisser Schwerpunkt mit insgesamt mindestens elf Revieren für die Laubwälder auf der Ostenfelder Geest ab, im Südwesten des Gebiets. Auch östlich der Schlei in der Landschaft Schwansen ist eine Verdichtung der Vorkommen erkennbar (Abb. 1).
Abb. 1: Vorkommen des Mittelspechts Dendrocopus medius im nördlichen SchleswigHolstein in den Jahren 2012-2018. Großer Punkt; 14 bzw. 19 Reviere, mittlerer Punkt 2-4 Reviere, kleiner Punkt 1 Revier. Eingezeichnet ist die für diese Betrachtung gezogene Linie Husum (H) – Eckernförde (E), die den größten Teil des Landesteils Schleswig einschließt.
Mit der Zunahme der Brutzeitorte ist der Brutzeitbestand stark angestiegen: um 2015 49, um 2018 77 (geschätzt über 100) Reviere. Zwei Wälder mit 19 bzw. 14 Revieren, nämlich Rehbergholz und Friedeholz, stellen Verbreitungsschwerpunkte dar, wie sie im südlicher liegenden Landesteil Holstein in größerer Zahl auftreten. Für weitere sieben Wälder sind zwei bis vier Reviere nachgewiesen (Tab. 1); für 27 Wälder ist nur ein Revier bekannt.
Tab. 1: Waldgebiete im nördlichen Schleswig-Holstein mit mindestens zwei Revieren des Mittelspechts Dendrocopus medius in den Jahren 2013-2018. KA = Untersuchung mit Klangattrappe.
Eine Klangattrappe wurde leider nur selten eingesetzt, so dass die Zahl der Mittelspechte teilweise höher liegen kann. Es gibt weitere, geeignet erscheinende Wälder, in denen der Mittelspecht trotz Nachsuche bisher nicht gefunden wurde. Im Februar 2018, also vor der Brutzeit, bemerkte H. CHRISTENSEN einen Mittelspecht im Lindewitter Holz, das hervorragend geeignet ist. Eine Reihe von Laubwäldern des Landesteils Schleswig wurde noch gar nicht untersucht, so dass bisher unentdeckte Vorkommen zu erwarten sind. Diese Umstände begründen eine Bestandschätzung von über 100 Revieren im nördlichen Schleswig-Holstein.
Gewährsleute: M. BACH, R.K. BERNDT, D. BUSCHMANN, I. FAHNE, T. FRANK, N. GAEDECKE, E. GLAESER, J.P. HANSEN, U. HARRIEHAUSEN, F. HOFEDITZ, J. KIECKBUSCH, A. KRUSE, M. KÜHN, A, MAKUS, B. MATTHIESEN, F. PIEPGRAS , O. PIEPGRAS, J. RÖSCHMANN, R. SCHAACK, H. SIMMEN, D. STRUß, B. STRUWE-JUHL, M. STURM.
Der Bestand wird vermutlich weiter zunehmen, doch ist eine Zahl wie im Landesteil Holstein (Bestandschätzung 1.600 P: um 2012; BERNDT, STRUWE-JUHL & KOOP 2013) bei weitem nicht zu erwarten, da alte Laubwälder im Landesteil Schleswig in viel geringerer Fläche vorhanden sind. Mindestens 20 Reviere liegen direkt an der Landesgrenze. Doch gibt es im südlichen Dänemark trotz Nachsuche im Zuge eines neuen Brutvogelatlasprojektes bisher nur wenige Vorposten: ab 2013 neun Fundorte, davon sechs im südlichen Jütland (J. LEEGAARD brfl.). Im Augenblick scheint die Ausbreitung des Mittelspechtes noch weitgehend an der schleswig-holsteinischen Landesgrenze zu stagnieren, so wie früher innerhalb des
Landes über Jahrzehnte keine wesentliche Veränderung erfolgt ist (BERNDT, STRUWE-JUHL & KOOP 2013).
Zusammenfassung
Im nördlichen Schleswig-Holstein hat der Bestand des Mittelspechts in den Jahren 20162018 weiter zugenommen. 77 Brutzeitvorkommen sind jetzt bekannt, was eine Schätzung von über 100 P. begründet. Doch wird die geringe Fläche von Laubaltholz im Landesteil Schleswig der Ausbreitung eine Grenze setzen. Die ersten Mittelspechte sind im südlichen Dänemark angekommen.
Summary
Literatur
BERNDT, R. (2015): Starke Ausbreitung des Mittelspechtes Dendrocopus medius im nördlichen Schleswig-Holstein. Die Vogelwelt 135: 189-191.
BERNDT, R.K., B. STRUWE-JUHL & B. KOOP (2013): Der Mittelspecht Dendrocopus medius in Schleswig-Holstein – Brutbestand, Bestandsentwicklung und Habitatwahl. – Ergebnisse der gezielten Nachsuche seit dem Jahr 2000. Corax 22: 251-292.
Rolf Berndt